Ein Blog unserer Geistlichen mit ihren Gedanken zur Predigt.
- bekannte Mitmenschen, die glücklich sind und Menschen, die ein schweres Schicksal zu tragen haben.
- Kirchenbesucher, die fest im Glauben stehen, aber auch solche, die nach festem Halt im Leben suchen.
- Besucher, die in der Kraft des Lebens stehen und auch Menschen, die spüren, dass ihre Lebenskräfte nachlassen.
- Menschen, die dankbar sind und solche, die Angst vor der Zukunft bewegt.
Vielleicht stellt sich der eine oder andere jetzt die Frage: Zu welcher Gruppe gehört denn unser Diakon? Mit welcher Lebensgeschichte steht er heute vor uns?
In einer jüdischen Geschichte erzählt Rabbi Mosche Löb:
Wie man die Menschen lieben soll, habe ich von einem Bauern gelernt. Der saß mit anderen in einer Schenke und trank. Lange schwieg er, wie alle anderen auch. Als sein Herz vom Wein bewegt wurde, sprach er seinen Nachbarn an:
Freund Iwan, sag, liebst du mich? -- Natürlich du weißt doch, dass ich dich liebe!
Weißt du auch, was mir weh tut? -- Wie kann ich wissen, was dir weh tut?
Darauf antwortet ganz ernst der Bauer:
Freund Iwan, wenn du nicht weißt, was mir weh tut, wie kannst du sagen, dass du mich liebst?
Der Nachbar vermochte kein Wort zu erwidern, und auch der Bauer schwieg wie vorher.
Ich aber, so Rabbi Löb, habe verstanden: "Lieben heißt wissen, was dem anderen weh tut.!"
Lieben heißt wissen, was dem anderen weh tut! Spüren, womit der andere zu kämpfen hat, welche Sorgen ihn umtreiben.
Ich frage heute einmal umgekehrt:
Wem würden wir denn erzählen, was uns wirklich weh tut? Wem würden wir unsere Wunden zeigen? Wem würden wir unsere Verletzungen offen legen?
Ich bin mir sicher, dass wir dies nicht aller Welt kundtun würden. Wir würden von unserem Schmerz, von unseren Sorgen doch nur Menschen erzählen, zu denen wir sehr großes, uneingeschränktes Vertrauen haben. Menschen, die wir schätzen und gern haben.
Ist es vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass Jesus ausgerechnet diesem Zweifler Thomas seine Wunden zeigt?
Dass Jesus sich nicht aufregt über den mangelnden Glauben des Thomas, sondern dass ER diesem Thomas ganz nahe kommt, näher als den anderen Jüngern? Jesus zeigt diesem Thomas mit all seinen Zweifeln und Fragen seine Wunden!
Jesus hat ausgerechnet zu diesem Zweifler Vertrauen, so dass ER sich in seiner Verletzlichkeit, mit seinen Wunden anrühren lässt, bis in die Herzwunde hinein.
Thomas spürt, welches Vertrauen ihm da Jesus entgegenbringt. Und genau diese Erfahrung verändert Thomas. Diese Erfahrung ist der Beginn einer erneuten tiefen Beziehung.
Sollte das bei uns so ganz anders sein?
Dieses Thomas-Evangelium ist für mich nicht nur eine Geschichte, in der ein Zweifler wieder zum Glauben kommt. Sie sagt mir auch etwas sehr menschliches:
Wenn mir ein Mensch seine Wunden zeigt, von dem, was ihm weh tut, von seinen Verletzungen erzählt, dann ist dies ein großer Vertrauensbeweis und kann das Fundament einer innigen Beziehung sein.
Amen!