Gedanken zur Predigt
Ein Blog unserer Geistlichen mit ihren Gedanken zur Predigt.
Ansprache zum Karfreitag 2023
Diakon Kirchmair
Das Kreuz -- warum Leiden?
Verehrte Schwestern, liebe Brüder!
Das Kreuz ist aufgerichtet - wir sehen auf den Schmerzensmann! Wir halten es bei IHM aus. Heute, am Karfreitag, am Trauertag, da lassen wir das Geschehen an uns heran. Und vielleicht kommt es uns in diesem Jahr - in Erinnerung an die bestialischen Ereignisse in der Ukraine - besonders nahe, so dass wir es fast nicht aushalten können. Dieses Kreuz!
Was bedeutet das für uns?
"Wie könnt ihr nur Kreuze aufhängen - und sie sogar noch als Schmuck betrachten?" Fragte mich vor kurzem ein junger Mann der Friedensbewegung. "Ausgerechnet so ein Symbol!" Folterwerkzeug der Römer; Symbol für Schmerzen und einen qualvollen Tod. "Hätte es kein schöneres Zeichen für euren Glauben gegeben?" Er findet es abstoßend. Lange schon hat er sich von diesem Kreuz verabschiedet. Mit dem Kreuz kann und will er nichts mehr anfangen. Nie mehr!
Ein anderes Erlebnis bewegt mich bis heute. Ein geistlicher Mitbruder hatte mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, einen Tag lang in einem Altenheim zu verbringen. Es waren beeindruckende Erlebnisse. Am Nachmittag wurde ich ganz unplanmäßig in das Zimmer einer sterbenden Frau geführt. Sie lag im Bett, die Augen waren geschlossen. In ihren Händen hielt sich ein Kreuz - ganz fest. Sie hielt sich fest am Gekreuzigten - oder hielt er sie?
Das Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden, uns aber, die daran glauben, ist es eine Gotteskraft, lesen wir bei Paulus. Am Kreuz scheiden sich die Geister. Das Kreuz - das ist ein Skandal, ein Ärgernis, ---- eine Gotteskraft. Was bedeutet es uns?
Festgenagelt hängt ER zwischen Himmel und Erde. Auf seinem Gesicht spiegelt sich göttliche Ewigkeit. Das ist die Weisheit GOTTES. Und seine Weisheit ist nicht von dieser Welt. Sie entzieht sich unseren Vorstellungen und unserem Verstand, unserer Vernunft und unseren Theorien.
GOTT ist Mensch geworden. In einem Stall geboren. Ein Leben ohne Sicherheit und ohne Komfort, auch später. Aber voller Liebe zu dem, was klein ist und bedürftig.
- ER stellt die Denkmuster auf den Kopf.
- ER zieht als König auf einem Esel nach Jerusalem.
- ER schlägt nicht zurück.
- ER beweist nicht seine Macht.
- indem ER es denen heimzahlt, die IHN quälen und töten.
GOTT ist Mensch geworden und ist in Jesus den ganzen menschlichen Weg gegangen. ER lässt sich töten --- am Kreuz. Das ist jenseits aller Vernunft. Zumindest jenseits der Vernunft dieser Welt. Da geht es nicht um Recht haben, da geht es nicht um Sich-Durchsetzen und nicht ums Gewinnen. Da geht es nur um eines. Um die Liebe, die aufs Ganze geht, und da geht es um die Schwachheit, die Tod und alles Bestialische überwindet, indem sie es in sich aufnimmt.
Nadja Bolz-Weber hat ein wunderbares Buch geschrieben: "Ich finde GOTT in den Dingen, die mich wütend machen."
Sie schreibt:
- GOTT schaute nicht vom Himmel herab auf das Leiden und den Tod Jesu, um IHN grausam leiden zu lassen.
- GOTT schaute nicht herab aufs Kreuz.
- GOTT hing am Kreuz.
- GOTT hat sich tief in unseren Schmerz, unseren Verlust und unseren Tod hineingegeben.
- Und ER nahm all das in sich selbst auf, damit wir erkennen können, wer GOTT wirklich ist.
- GOTT ist nicht fern am Kreuz. Und ER ist nicht fern der Trauer und nicht fern im Krankenhaus.
- Sondern GOTT ist mitten drin, da, wo die Wimperntusche in Streifen übers Gesicht fließt und da,
- wo es einen innerlich fast zerreißt.
Liebe Mitchristen!
Es gibt keine für uns begreifliche Antwort auf die Frage, warum es Leid gibt. Wir wollen und suchen Antworten auf diese Frage von GOTT, aber manchmal bekommen wir stattdessen: --- GOTTES Gegenwart.
Heute stehen wir vor dem Kreuz. Wir stellen uns den Fragen, die es aufwirft. Wir stellen dem Gekreuzigten unsere Fragen. Das Kreuz führt unsere Weisheit an die Grenze.
Karfreitag! Trauertag! Im Englischen heißt der Tag aber "Good Friday" - Guter Freitag! Weil von Ostern her alles in einem anderen Licht erscheint. Das Kreuz wird zu einem Hoffnungszeichen. Der Gekreuzigte ist nicht der Gescheiterte, sondern der, der mitträgt, auch Leid und Tod. Und ER reißt die, die an IHN glauben, heraus aus den Todes-Mächten hinein ins Leben.
Verehrte Schwestern, liebe Brüder!
- Ich will mich festhalten an IHM. An Jesus, dem Gekreuzigten.
- Gerade jetzt, wo alles so anders wird, wo das Leben durcheinander gewirbelt wird, wir täglich von Schreckensnachrichten getroffen werden.
- Ich will festhalten an der Hoffnung, dass ER da ist. Auch jetzt!
- Ich will festhalten, dass ER alles heil machen wird, denn nichts kann uns von seiner unbedingten Zuwendung und Fürsorge trennen.
Amen